
Prolog
Wie es zu unserem Projekt kam

Vor ein paar Jahren zogen unsere Freunde nach Heiligkreuz in Trier um. Auf dem Weg zum ersten Besuch des Hauses bemerkten wir, dass eine der benachbarten Straßen „Breslauer Straße“ hieß, nach der Heimatsstadt unserer Eltern. Wir freuten uns, dachten aber nicht viel darüber nach, warum die Straße den Namen einer polnischen Stadt trägt. Einige Zeit später, vor einem Theaterbesuch, stießen wir auf die Bronzetafel am sogenannten Heimatbrunnen vor dem Rathaus Triers. Neben den Wörtern „Einigkeit und Recht und Freiheit“ standen sechs Stadtnamen, mit Breslau an erster Stelle. Wir waren verwundert, warum diese auf einem öffentlichen Platz in einer westdeutschen Stadt an der Grenze zu Luxemburg ausgestellt waren. Auch diesmal haben wir uns nicht viel damit beschäftigt.
Im Sommer 2024 entschieden wir uns, ein zweites Mal am Geschichtswettbewerb vom Bundespräsidenten teilzunehmen. Als wir Anfang September erfuhren, dass das diesjährige Thema „Grenzen in der Geschichte“ war, erinnerten wir uns, wie unser Vater über seine Kindheit in Polen gesprochen hatte. Er hatte uns die Familiengeschichten erzählt, insbesondere die seiner Großeltern und ihre Zwangsumsiedlung von „Kresy“ (ehemals polnische Ostgebiete in der heutigen Ukraine) nach Niederschlesien. Mit dem persönlichen Bezug begannen wir unsere Erarbeitung dieses Abschnitts der Familiengeschichte.
Je länger wir recherchierten, desto mehr verstanden wir, dass wir nicht nur die polnische, sondern auch die deutsche Seite dieser Ereignisse darstellen müssten. Aus diesem Grund besuchten wir das Haus Schlesien in Königswinter, in dessen Dauerausstellung die deutsche Perspektive der Geschehnisse gezeigt wird. Aus reinem Zufall trafen wir dort auf Herrn Manfred Lempert, der die Vertreibung mit neun Jahren selbst erlebte. Er erzählte uns seine Erinnerungen aus dem Jahr 1946, in welchem seine Familie aus Niederschlesien nach Westdeutschland umgesiedelt worden war. Wir verstanden dann, dass wir die komplizierte Geschichte der Umsiedlungen mithilfe der persönlichen Erfahrungen unserer beiden Familien darstellen konnten.
Abbildung 1. Der Heimatbrunnen in Trier
Am Anfang begriffen wir nicht, wie riesig und komplex das Thema war, auf deutscher sowie polnischer Seite. Wir erwarteten nicht, dass wir für die Recherche eine Unmenge von Büchern lesen, vier Recherchereise unternehmen (zwei nach Polen), unsere erweiterte Familie kennenlernen, zwei Zeitzeugen befragen und (zum ersten Mal überhaupt) ein Autoreninterview durchführen würden. Doch das alles schafften wir innerhalb von 5 Monaten.
Hiermit laden wir euch herzlich ein das Ergebnis unserer Arbeit anzusehen und mehr über die Konsequenzen der Grenzverschiebungen nach dem zweiten Weltkrieg zu erfahren.